Heute sind wir es gewohnt, daß uns das Display im Armaturenbrett unseres Autos genau anzeigt, in welchem technischen Zustand Fahrzeug und Motor sind. Fälligkeit der nächsten Inspektion, niedriger Ölstand, niedriger Scheibenwaschwasserstand, etc., etc. - alles wird angezeigt, meist sogar bevor es kritisch wird.
Gemisch beim Starten des kalten Motors fetter einstellen - was ist das?
Zündzeitpunkt verstellen - höchstens noch aus der Privatfliegerei bekannt. Das war damals schon alles etwas schwieriger, und zudem das meiste auch noch absolutes Neuland.
Der frühe Kraftfahrer mußte also immer auch eine gehörige Portion technisches Einfühlungsvermögen mitbringen, denn irgendetwas mußte ständig repariert werden. Ölverschmierte Hände waren da schon eher der Normalfall, als die Ausnahme.
Bertha Benz und ihre Söhne fuhren also nach Gehör. Hatte sich die Kette gelängt und übersprang jetzt gelegentlich deutlich hörbar einzelne Zähne der Zahnräder, fuhr man eben in Bruchsal zum Schmied, der die Kette wieder richtete.
Zwei schlimme Pannen ereilten die drei aber auf offener Strecke, so daß mit "Bordmitteln" repariert werden mußte. Diese beiden eher dramatischen Situationen beschrieb Bertha Benz später souverän so: "Das eine Mal war die Benzinleitung verstopft - da hat meine Hutnadel geholfen. Das andere Mal war die Zündung entzwei. Das habe ich mit meinem Strumpfband repariert."
Es sei also all jenen ins Stammbuch geschrieben, die gelegentlich die Fahrkünste von Frauen anzweifeln (üblicher Macho-Spruch: Frau am Steuer !), daß nicht nur die erste automobile Fernfahrt der Welt von einer Frau unternommen wurde, sondern daß Bertha Benz auch über großes technisches Geschick verfügte.
Wenn man versucht, die Leistung von Bertha Benz im Jahre 1888 historisch einzuordnen, dann darf daran erinnert werden, daß Finnland als erstes Land in Europa das Frauenwahlrecht im Jahre 1906 einführte, Deutschland im Jahre 1918, und ein Halbkanton der Schweiz im Jahre 1990 das Schlußlicht bildete!
Das Land Baden war bereits damals sehr fortschrittlich und gestattete im Jahre 1900 als erstes Bundesland in Deutschland Frauen das Studium, 12 Jahre nach der historischen Fahrt der Bertha Benz.
Bertha Benz bereitete aber nicht nur einem neuen Frauenbild den Weg, sondern sie zeigte bereits 1888 eine Fähigkeit, die sich auch heute noch nicht überall durchgesetzt hat: Teamfähigkeit! Denn in einem späten Interview sprach sie offen davon, daß auch ihre Söhne Teile der Strecke gefahren seien. Der Fahrdienst während des dreitägigen Aufenthaltes in Pforzheim, den viele Interessierte dort gerne nutzten, wurde sogar komplett von ihrem 15-jährigen Sohn Eugen organisiert.
Auf der Rückfahrt mußte sie dann wegen der ständigen Berg- und Talfahrt zwischen Pforzheim und Bauschlott (Neulingen) erneut zur Reparatur. Sie schrieb später selbst: "Das Stück von Pforzheim bis Bauschlott denkt mir ein Lebtag. Denn in Bauschlott mußte ein Schuster neues Leder auf die Bremsklötze schlagen, nachdem vorher mehreremal der Wagen geschoben werden mußte. Von Bauschlott an ging es bis Bretten zu wieder reibungsloser."
Jener Schuhmacher war Karl Britsch, heute Anwesen Pforzheimer Straße 18, welcher der mutigen Dame vor dem Gasthaus "Adler" das Leder auf die Bremsklötze ihres Fahrzeugs nagelte.
Wenn wir heute zurückblicken, dann erscheinen uns die 120 Jahre von 1888 bis 2008 wie eine Ewigkeit. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß Bertha Benz erst im Jahre 1944 verstarb, das heißt vor 64 Jahren. Daher gibt es auch heute noch viele Menschen in Ladenburg, die sie persönlich kannten.
Wir können uns vorstellen, daß es noch weitere Berichte aus jener Zeit über die Fahrt der Bertha Benz gibt, die in Familien an der Strecke von Generation zu Generation weitergereicht wurden. Sollten Sie, lieber Leser, solche Berichte kennen, würden wir uns sehr darüber freuen, wenn Sie diese an uns weiterleiten, damit sie hier veröffentlicht werden können!